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10/06/2024

Piaggio

Gründungsjahr 1884

Piaggio

Die Geschichte von Piaggio ist eine faszinierende Reise durch die industrielle und gesellschaftliche Entwicklung Italiens. Gegründet als Hersteller von Schiffs- und Eisenbahnmaterialien, wurde das Unternehmen dank einer brillanten Nachkriegsidee zu einer weltweiten Ikone: der Vespa.

Die Ursprünge (1884–1945)
1884: Rinaldo Piaggio gründete „Piaggio & C.“ in Sestri Ponente (Genua). Das anfängliche Geschäft war die Holzverarbeitung für die Schiffsindustrie. Bald erweiterte das Unternehmen sein Angebot um die Produktion und Reparatur von Eisenbahnwaggons und -waggons.

Anfang des 20. Jahrhunderts: Das Unternehmen begann, seine Aktivitäten zu diversifizieren. Rinaldo, fasziniert von der Welt der Luftfahrt, beschloss, in die Luftfahrtbranche einzusteigen. Die Werkstätten in Sestri Ponente und Finale Ligure (erworben 1889) entwickelten sich zu führenden Herstellern von Wasserflugzeugen, Flugzeugmotoren und Luftschiffen.

1920er und 1930er Jahre: Piaggio etablierte sich als einer der führenden Flugzeughersteller Italiens. Die Werke in Pontedera (eröffnet 1924) und Pisa waren für die Produktion von Militär- und Zivilflugzeugen von entscheidender Bedeutung. Innovative Flugzeuge wurden entworfen und gebaut, wie zum Beispiel die Piaggio P.108, der einzige viermotorige schwere Bomber der italienischen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Der vom Unternehmen beauftragte Ingenieur Corradino D'Ascanio entwarf einen der ersten Hubschrauberprototypen.

Der Wendepunkt nach dem Krieg: Die Geburt der Vespa (1946–1960)
Zweiter Weltkrieg: Die für die Kriegsproduktion strategischen Piaggio-Werke wurden durch alliierte Bombenangriffe fast vollständig zerstört. Das Ende des Konflikts markierte einen Wendepunkt. Die Wirtschaft lag am Boden, und es bestand dringender Bedarf an einem erschwinglichen, praktischen und zugänglichen Transportmittel für die breite Masse.

1946: Enrico Piaggio, Rinaldos Sohn, beauftragte Corradino D'Ascanio mit der Entwicklung eines revolutionären Fahrzeugs. D'Ascanio, der traditionelle Motorräder ablehnte, entwarf einen Roller mit einzigartigen Merkmalen:

Schutz: Der Fahrer wird durch eine große Front geschützt.

Intuitive Handhabung: Kein Kettengetriebe, sondern ein Direktantrieb. Die Gänge befinden sich am Lenker.

Räder: Die Räder sind wie bei einem Auto leicht austauschbar.

Sitzposition: Die sitzende Sitzposition ist bequem und ermöglicht einfaches Auf- und Absteigen, ohne sich schmutzig zu machen.

23. April 1946: Das Patent für den Prototyp der MP6 wird angemeldet. Enrico Piaggio ruft beim Anblick des Motors und seiner Form aus: „Sieht aus wie eine Wespe!“ Die Vespa ist offiziell geboren. Das erste in Serie produzierte Modell ist die Vespa 98. Sie ist sofort ein überwältigender Erfolg.

1948: Ein weiteres Kultfahrzeug wird vorgestellt: die Ape, ein kleines dreirädriges Nutzfahrzeug, das für den Wiederaufbau Italiens unverzichtbar ist und bis heute produziert wird.

1956: Piaggio feiert den Verkauf einer Million Vespas. Das Fahrzeug wird weltweit zum Symbol für Freiheit, Eleganz und italienisches „Dolce Vita“.

Expansion und Diversifizierung (1960–1990)
1964: Die Bereiche Luftfahrt und Eisenbahn werden ausgegliedert und in „I.A.M. Rinaldo Piaggio“ umbenannt, während sich „Piaggio & C.“ auf Zwei- und Dreiräder konzentriert.

1965: Enrico Piaggio stirbt. Das Unternehmen wird von Umberto Agnelli übernommen.

1967: Der Ciao wird geboren, das Moped, das das Konzept des „Rollers“ in Italien einführt. Einfach, leicht und zuverlässig wird es zum Massenphänomen.

1969: Piaggio übernimmt den traditionsreichen Motorradhersteller Gilera und stärkt damit seine Präsenz in der Motorradbranche.

1989: Das Unternehmen bringt den Sfera auf den Markt, den ersten Roller mit Kunststoffkarosserie und Stahlrohrrahmen, und läutet damit eine neue Generation von Stadtfahrzeugen ein.

Jüngste Geschichte und Moderne (1990–heute)
1990er Jahre: Das Unternehmen setzt seine Innovationen mit Modellen wie dem Hexagon (Piaggios erstem Maxi-Scooter) und dem Liberty (1996) fort, der das „High Wheel“-Konzept für mehr Stabilität einführte.

1999: Piaggio wird von der Finanzgruppe Morgan Grenfell Private Equity übernommen. In dieser Zeit kehrt die Marke mit der Eröffnung der ersten „Vespa Boutiques“ auf den US-Markt zurück.

2001: Der Beverly, ein weiterer äußerst erfolgreicher High Wheel-Roller, kommt auf den Markt.

2006: Das Unternehmen revolutionierte das Konzept der urbanen Mobilität mit dem Piaggio MP3, dem weltweit ersten dreirädrigen Roller. Die beiden Vorderräder sorgten für beispiellose Stabilität und Sicherheit.

Die 2000er und 2010er Jahre: Die Piaggio-Gruppe expandierte weiter durch die Übernahme traditionsreicher Marken wie Aprilia und Moto Guzzi und schuf so ein Markenportfolio, das von Motorrollern über Elektroroller (Piaggio 1) bis hin zu Sport- und Tourenmotorrädern reicht.

2023: Nach dem Tod von Roberto Colaninno übernahmen seine Söhne Matteo und Michele Colaninno die Positionen des Vorstandsvorsitzenden bzw. CEO der Piaggio-Gruppe und führten damit die Familientradition der Führung fort.

Heute: Die Piaggio-Gruppe ist der europäische Marktführer im Zweiradmarkt.